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Das Heutuch: Eine alpenländische Tradition wird wiederentdeckt

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Das Wildheuen auf Steilhängen hat in der Schweiz eine lange Tradition und dient heute vor allem dem Lawinenschutz. Heutücher sind traditionelle Hilfsmittel für den Abtransport von Heubündeln aus Steilhanglagen. Sie werden auch heute noch zu diesem Zweck genutzt, finden aufgrund ihrer Fertigung aus natürlichen Materialien und ihrer vielseitigen Einsatzmöglichkeiten zunehmend aber auch als Deko-Elemente Verwendung.

Die Bedeutung des Heutuchs für das Wildheuen
Die Zeit der Heuernte stellt Bauern und Bäuerinnen seit jeher vor grosse Herausforderungen: Sie müssen nicht nur den richtigen Zeitpunkt abwarten, um einen optimalen Ertrag und eine gute Qualität der Ernte zu erzielen, sondern auch für eine ausreichend grosse Anzahl an Arbeitskräften sorgen, die Trocknung und den Abtransport des geernteten Heus organisieren und eine geeignete Lagermöglichkeit vorbereiten. Die Heuernte ist somit eine zeitintensive und anstrengende Tätigkeit, die heute in gut zugänglichen Lagen mit maschineller Unterstützung durch Geräte wie Heuwender und Schwader geleistet wird.

Anders sieht es aus, wenn die Heuernte auf abgelegenen, schwer zugänglichen Steilhängen stattfinden soll: In solchen Lagen findet die Heumaht auch heute noch auf traditionelle Weise statt. Man spricht dann von Wildheuen: Meist werden hier in genossenschaftlichen Zusammenschlüssen und unter genau definierten Bedingungen Wildheuwiesen abgeerntet. Die Arbeit ist gefährlich, wenig ertragreich und auf die freiwillige Arbeitsleistung von Helfern und Helferinnen angewiesen. Sinnvoll ist sie dennoch, dient das Wildheuen doch vor allem dem Lawinenschutz: Auf nicht abgeernteten Steilhängen kommt es im Winter zu einem Niederdrücken der nicht geernteten Gräser, die so eine Gleitebene bilden. Durch Regen und ersten Schnee verstärkt sich dieser Effekt noch zusätzlich, so dass grössere Schneemengen für Ansiedlungen unterhalb eines nicht abgemähten Steilhanges zu einer ernsten Gefahr werden können.

Das abgeerntete Heu muss getrocknet und schliesslich ins Tal transportiert werden. Dazu bedienen sich Wildheuer und Wildheuerinnen ebenfalls eines traditionellen Hilfsmittels: Sie verwenden auch heute noch häufig ein Heutuch, um das gebündelte Heu in einen Stall oder eine Scheune zu bringen.

Wie wird ein Heutuch verwendet?
Klassische Heutücher wurden – und werden noch immer – aus Jute oder Leinen hergestellt. Sie sind quadratisch und etwa zwei mal zwei Meter gross. Moderne Modelle sind an den Ecken oft verstärkt und besitzen eingenähte Ringe, durch die die Schnüre zur Bündelung des zu transportierenden Heus gezogen werden können. Bevor es soweit ist, muss das Heubündel aber erst aufgenommen werden – und das geht auf Steilhängen am leichtesten, indem sich der Wildheuer, die Wildheuerin unter das in den Hang gespannte Tuch, das an Ort und Stelle beladen wird, stellt. Fixiert wird das Tuch dort durch speziell gedrechselte Pflöcke, die anschliessend auch zum Verknoten des beladenen Tuches genutzt werden. Das fertige Bündel lässt sich dann freihändig auf den Rücken aufnehmen – die Hände werden lediglich zum Aufstemmen und zum Ausbalancieren der Last verwendet. Wenn kein Heuseil vorhanden ist, geht es dann zu Fuss mit einer Last von 40 bis 60 kg hinab ins Tal – keine einfache Übung!

Das Heutuch als Deko-Element: Natur und Tradition zum Wohlfühlen
Heute hat das Heutuch neben seiner wiedergewonnenen Bedeutung in der sanften, naturschonenden Landwirtschaft auch eine Verwendung als dekoratives Element zu Wohnzwecken gefunden: Die angenehmen, natürlichen Materialien Leinen und Jute strahlen Wärme und Geborgenheit aus und sind aufgrund der nahezu unbegrenzten Falt- und Spannmöglichkeiten vielseitig einsetzbar. Traditionelle Heutücher werden deshalb gerne in der gehobenen Hotellerie, in der Wellness-Industrie und als Gestaltungselemente im Innendekor eingesetzt, etwa als Sonnen- und Windschutz auf Terrassen, als flexible Raumtrenner oder mit einer duftende Heufüllung zu Sitzkissen umfunktioniert.